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Alles begann damit, daß Anfang der 70-er Malcolm McLaren und Vivienne Westwood einen Klamottenladen auf der King's Road in London eröffneten. 1974 nannten sie den Laden in "Sex" um und verkauften Gummi-, Leder-, SM-Sachen und bedruckte T-Shirts mit provozierenden Texten. Sie hatten Kontakt nach New York aufgenommen. Vivienne stellte ihre Kleiderentwürfe vor, während Malcolm versuchte die New York Dolls zu managen, die jedoch kurz vor ihrer Auflösung standen. McLaren war von der Idee besessen Mode und Musik zu koppeln, eine Band zu managen, die gleichzeitig Werbung für ihre Klamotten machte. Ihr Laden hatte sich inzwischen zum Treffpunkt der trendy Teenies in Bowie- bzw. Roxy-Music-Outfit entwickelt. Ein regelmäßiger Besucher war Steve Jones. Er probte mit seiner Band "The Strand" (Paul Cook-Drums und Wally Nightingale-Gesang) in einem Raum am Ende der King's Road. Sie suchten einen Manager. Malcolm McLaren sah seine Chance, als erstes besorgte er der Gruppe den fehlenden Bassisten: Glen Matlock, eine Aushilfe aus seinem Laden, dann schmiß er Wally Nightingale aus der Gruppe. Wally war ein netter Kerl, aber in Malcolms Augen zu brav als Frontmann der Band. Bernie Rhodes, Designer und Mitarbeiter von Vivienne und späterer Manager der Clash, machte Malcolm auf einen exzentrischen jungen Mann aufmerksam und arrangierte ein Treffen zwischen ihm und der Gruppe. Steve Jones: Ich lernte John in McLarens Laden kennen. Er kam rein und hatte grüne Haare. Ich dachte, der hat ein sehr interessantes Gesicht. Ich mochte sein Aussehen. Er trug dieses "I hate Pink Floyd"-T-Shirt, das mit Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurde. John hatte was Besonderes an sich, aber wenn er anfing zu reden, war er ein richtiges Arschloch - aber intelligent. (aus: No Irish, No Blacks, No Dogs von Johnny Rotten, Hannibal Verlag) John Lydon (Johnny Rotten) konnte genau so wenig singen, wie Steve Jones Gitarre spielen, aber er hatte Charisma. Die Sex Pistols waren geboren... Die Gruppe spielten bis dahin so eine Art Mischung zwischen Faces und Glam-Rock. Glen, der musikalisch Fortgeschrittenste, wollte melodiösere Sachen spielen, stieß jedoch auf den Widerstand von Steve und John, die einen wilderen, härteren Sound anstrebten. Steve gab sich die größte Mühe sein Instrument zu erlernen und John, der sich während der Proben langweilte, begann Texte zu schreiben. |
Im November '75 folgten die ersten Auftritte in Collegs und am 12. Feb. 1976 im "Marquee" als Vorgruppe von "Eddie & the Hot Rods". Von Beginn an provozierten die Pistols ihr Publikum, allen voran John. Er sang nicht, er schrie, spuckte und prügelte sich mit dem Publikum. Allein sein Äußeres, Lumpenlook und kurze Haare, oder seine Äußerung gegenüber "Sounds" (4.4.76): "I hate shit. I hate hippies and what they stand for. I hate long hair. I hate pub bands... I want people to see us and start something, or else I'm just wasting my time.", lies das Blut der friedlichen Hippiegeneration in Wallung bringen. Auf der anderen Seite erhielten die Pistols von vielen jungen Musikern Zuspruch, etwa Devoto, Pete Shelly (Buzzcocks), Tony James (GenerationX), Chrissie Hydne (Pretanders), Joe Strummer oder Mick Jones (Clash). Eine besondere Rolle spielte eine Gruppe Jugendlicher, die sich nach einem Londoner Vorort - aus dem ein Teil von ihnen kam - "Bromley Contingent" nannte. Sie hatten einen besonderen Stil der Kleidung, Make-up, des Haarstylings entworfen und trieben sich auf der King's Road, bzw. in dem Laden "Sex" und auf den Pistols Konzerten herum. |
Am 20. September startete im 100 Club das erste Punk Festival über
zwei Tage. Es spielten die Sex Pistols, Clash, Subway Sect, Damned,
Vibrators mit Chris Spedding, Stinky Toys, Buzzcocks und eine Gruppe, die
aus dem "Bromley Contingent" entstanden war: "Siouxsie & the Banshees"
mit Siouxsie (Susan Ballion)-Gesang, Steve Severin-Bass, Marc Pironi-Gitarre
und Sid Vicious-Drums. Trotz einiger Ausschreitungen, es flogen ein paar
Biergläser während ihres Auftritts, erhielten die Pistols in den
Musikzeitschriften die besten Kritiken. Am 9. Oktober war Malcolm McLaren endlich am Ziel, die Pistols erhielten einen Vertrag bei EMI, einem Majorlabel, daß über ausgezeichnete Promotion- und Produktionsmöglichkeiten verfügte. Gleichzeitig bestärkte der Abschluß McLarens Ego, die Damned hatten schon vor den Pistols bei einem kleinen neuen Label Stiff unterzeichnet, nun hatten die Pistols sich wieder an die Spitze der Bewegung gesetzt, da der Abschluß bei EMI ein ganz anderes Gewicht hatte. Einige Tage zuvor verpflichtete das Management von "Glitterbest" (McLaren) die Sex Pistols zur Unterschrift eines Vertrages, der eine 15-jährige Auseinandersetzung vor Gerichten zur Folge haben sollte. Am 19. November erschien ihre Debut-Single "Anarchy in the U.K." Sounds kürt die Aufnahme zur Single der Woche, doch dann kam der 1. Dezember... |
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Die Gruppe "Queen" mußte
einen Fernsehauftritt kurzfristig absagen, und irgend jemand bei EMI kam
auf die Idee die Pistols einspringen zu lassen. Keine gute Idee, obwohl
naheliegend: Sie kamen aus London, waren schnell erreichbar und ihre Single
konnte etwas Promotion gebrauchen. Man schickte einen Wagen vorbei. Die
Pistols probten gerade für ihre Anarchy-Tour , Siouxsie und ein paar
Bromley-Leute hingen bei ihnen herum und kamen mit ins Studio. Es war
noch Zeit bis zur Sendung und in dem Gästeraum trafen sie auf den
Moderator Bill Grundy mit dem sie die Alkoholvorräte leerten. Bill
begann Siouxsie anzubaggern und machte in seiner Show "Today" unverhohlen
weiter. Steve regte sich darüber auf und Bill Grundy forderte ihn
heraus: "Komm, sag' doch etwas Unanständiges." Und Steve legte los:
"You dirty bastard... You dirty fucker... What a fuckin' rotter." Es reichte.
Zur besten Fernsehzeit, direkt nach den Nachrichten. Am nächsten
Morgen hatten die Pistols die Schlagzeilen der Tagespresse für sich
- aber mit Folgen... 13 der 19 Tourdaten wurden abgesagt, in vielen Läden
der Verkauf ihrer Platte gestoppt und einige Radiosender spielten ihre
Single nicht mehr. Die Presse hatte sich auf die Pistols eingeschossen,
aus jeder Beiläufigkeit wurde ein neues Skandal konstruiert. Anfang
des Jahres '77 kündigte EMI, wegen der unhaltbaren Vorkommnisse,
den Vertrag auf. Malcolm trieb ein neues Label auf und am 9.März unterzeichneten die Pistols einen Vertrag bei A&M. Sie lieferten ihre erste Single "God Save The Queen" für die neue Plattenfirma ab. Die Sex Pistols erschienen völlig betrunken und ausfallend zu einer Promotionsitzung, und die Plattenbosse von A&M bekamen so eine Vorstellung davon mit wem sie zusammenarbeiten sollten. Angeblich beschwerten sich einige "renommierte Künstler", die bei A&M unter Vertrag standen, über die Verpflichtung, vielleicht bekam das Managment von A&M auch nur kalte Füße, auf jeden Fall annullierten sie den Vertrag mit den Sex Pistols kurzfristig, und die Single "God Save The Queen" kam nicht zur Auslieferung. Nach einem Gratiskonzert der Pistols mit den Slits im Roxy am 10. April kam es zum Kontakt mit Virgin, die ein starkes Interesse an ihnen zeigten. Anfang Mai wurde der Vertag unterzeichnet. 2 Wochen vor dem offiziellen 25-jährigen Krönungsjubiläum erschien die Platte und wurde innerhalb weniger Tage 150.000 mal verkauft. |
Für den 7.Juni (das Wochenende des Jubiläums) mietete Malcolm
McLaren eines der Touristenboote, die die Themse rauf- und runtertuckern,
"Queen Elizabeth" an. Er lud die angesagtesten Leute der neuen Szene ein,
darunter natürlich auch einige Musikkritiker. Um 18.30 legte das Boot
ab, gegen 22.00 Uhr traten die Pistols auf. Doch schon nach wenigen Songs
- man passierte gerade das Parlament - tauchten zwei Polizeiboote auf und
zwangen das Schiff anzulegen. Als die Polizei an Bord kam, kam es zu Tumulten
und 11 Personen wurden festgenommen. Die Pistols hatten wieder einmal die
Schlagzeilen der Presse, und ihre Single "God Save The Queen" stürmte
den 1.Platz der Hitparade. Die Stimmung in der Bevölkerung gegen Punks
wurde nun erst richtig angeheizt. Es kam zu tätlichen Angriffen gegen
Mitglieder der Gruppe. |
Sid war ein alter Kumpel von Johnny, eine Szene-, eine Straßengröße, später eine Punk-Ikone, aber kein begabter Musiker. Zu Beginn - im Februar '77, als er bei den Sex Pistols einstieg - versuchte er noch eifrig Bass zu lernen, doch dann begegnete er Nancy Spungen... Nancy kam im Troß der New Yorker Band "The Heartbreakers" und mit ihnen kam das Heroin in die Londoner Punkszene. Sid verfiel zuerst Nancy und dann der Droge. Es gab später mehrere Versuche des Management und der Gruppe (insbesondere von John) Nancy loszuwerden, denn nur so konnte man Sid vielleicht noch helfen. Doch Nancy tauchte immer wieder auf, und Sid begab sich immer mehr in ihre Abhängigkeit - und somit auch in die Drogenabhängigkeit. |
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Die Pistols nahmen ihre erste LP "Never Mind The Bollocks Here's The Sex
Pistols" auf. Die meisten Stücke waren schon länger Bestandteil
ihres Repertoires. Sid erkrankte an einer Hepatitis, und Glen ersetzte ihn
bei den Aufnahmen. Die zwei Stücke auf denen Sid Bass spielte
wurden von Steve Jones überarbeitet, um Sids "popligen Bass-Part" zu
übertünchen. |
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Was dann folgte,
war nur noch Scheiße. Natürlich konnte John nicht einseitig die
Gruppe auflösen und McLaren erklärte Sid zum Frontmann und Sänger
der Gruppe. McLarens Hauptinteresse galt aber zu dieser Zeit der Fertigstellung
seines Pistols-Filmes. Julien Temple führte nun Regie, einige wenige
Sequenzen von Russ Meyer wurden übernommen, das Script wurde mehrmals
geändert und der Film hieß jetzt "The Great Rock'n'Roll-Swindle".
McLaren steckte eine Menge Geld in das Projekt, auch die Gelder aus dem
Virginvertrag mit den Sex Pistols. Im Juni'78 erschien die erste Single nach Johns Ausstieg: "The Biggest Blow (A Punk Prayer By Ronald Biggs)" mit der B-Seite "My Way" gesungen von Sid. Die Single erreichte Platz sechs der Charts, und bestärkte McLaren in seiner Auffassung, daß alleine der Skandal, die Provokation und die damit verbundene Presseaufmerksamkeit den Erfolg ausmacht. Schon in dem vergangenen Jahr '77 hatte diese Einstellung dafür gesorgt, daß die Pistols zwar Dauerthema der Presse waren, aber fast keine Auftrittsmöglichkeiten mehr erhielten, somit nur wenige Konzerte bestritten und ihr Repertoire nicht erweiterten. Inzwischen probten die verbliebenen Pistols nicht mehr, Paul Cook und Steve Jones polierten alte Pistols-Songs auf, während Sid mit seiner Geliebten Nancy zwischen New York und London pendelte und immer weiter im Drogensumpf abglitt. Im Oktober des gleichen Jahres fand man Nancy ermordet im Chelsea Hotel in NY auf. Sid geriet unter dringendem Tatverdacht. Am 2.Februar 1979 starb Sid in New York an einer Überdosis Heroin. McLaren verbot John mit einer gerichtlichen Verfügung sich weiterhin Johnny Rotten zu nennen, und John verklagte McLaren auf die Auszahlung des Gewinns aus den Pistolprodukten. und Paul schlossen sich im Laufe des Prozesses der Klage Johns an. Jetzt mußte auch Malcolm McLaren bitter eingestehen, daß die Sex Pistols nicht mehr existierten. Durch den ganzen Medienhype blieb vielen die Pistols nur als eine Skandaltruppe in Erinnerung und leider nicht als die Band, die dem Rock'n'Roll die Straße wiedergab. |
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