eine kurze geschichte des punks

Magazine Punk

Die erste Ausgabe des Magazins

 

Seit der Punk als Musikrichtung gesellschaftsfähig bzw. vermarktbar wurde, schwellt zwischen den amerikanischen und englischen Musikkritiker ein Streit, wer den Punk "erfunden" hatte.
Die US-Amerikaner haben inzwischen die Nase vorne, und allgemein wird (Dank verschiedener Publikationen) ihre Sichtweise von der schreibenen Zunft ungeprüft übernommen. Als Hauptargument dient das CBGB (Country,Blue-Gras and Blues), einem New Yorker Schuppen in dem Mitte der 70er - und damit eindeutig vor den Sex Pistols - Gruppen wie Television, Suicide, Ramones, Talking Heads, Blondie oder Patti Smith auftraten. Der Großteil dieser Musiker verstanden sich als Avantgard in der direkten Nachfolge von Velvet Underground (Andy Warhol), tendierte zu harten Drogen und verehrten die Beat-Generation Poeten Burroughs, Kerouac oder die französischen Dichter Baudelaire und Rimbaud. Die Gruppen hatten musikalisch nicht viel miteinander gemeinsam, außer das sie nicht "mainstream" waren. Der Big Apple befand sich zu dieser Zeit im Disco-Rausch, und so führten die Protagonisten zwar ein sehr innovatives aber auch eher unauffälliges Dasein am Rande der New Yorker Musikszene.
Im Januar '76 erschien in bester traditioneller Underground-Aufmachung ein Magazin namens "Punk". Die erste Ausgabe proklamierte das Ende der Disco-Scheiße, berichtete von Marlon Brando, den Ramones und veröffentlichte ein längeres Interview mit Lou Reed. Legs McNeil, Autor der Zeitschrift, wollte diesen doch sehr verschiedenen Leuten den Begriff Punk überstülpen, doch die Betroffenen fanden das eher lächerlich, weder die Ramones noch Blondie verstanden sich als Punks.

Malcolm McLaren (späterer Manager der Sex Pistols) hielt sich Ende '74-Anfang '75 in New York auf. Er übernahm für eine kurze Zeit das Management der New York Dolls, einer Glamrock-Gruppe, die bewußt Tabubrüche provozierte und auch mal gerne in Frauenkleidung auftrat. McLaren verpaßte ihnen ein neues Outfit mit kommunistischen Symbolen, aber sein Bemühen, die New York Dolls vor ihrer Auflösung zu bewahren, war vergeblich. Malcolm McLaren kehrte nach London zurück mit der Idee dort eine ähnliche Gruppe zu schaffen. Jedoch ließen sich die Verhältnisse von USA nicht einfach auf UK übertragen. Anders als in den USA, wo Städtenamen wie Detroit, Chicago, New Orleans oder Nashville als Synonym für Musikrichtungen stehen, wo praktisch jeder Musiker seinen Platz, eine Nische finden kann, wurde die englische Musikszene in den 70er Jahren von Supergruppen beherrscht. Led Zeppelin, Pink Floyd, Yes, Genesis, Emerson, Lake & Palmer... aufgeblasener Bombastrock, Kitsch mit Kunstanspruch, mit riesigen Produktionskosten und Gewinnen. Egal wie man zu dieser Art von Musik steht, Fakt war die Gruppen hatten sich meilenweit von ihrem Publikum entfernt. Ihre Texte hatten nichts nur wenig mit der Realität ihrer Zuhörer zu tun. England befand sich in einer Rezession, einem großen Teil der jugendlichen Schulabgänger drohte die Arbeitslosigkeit.

Die Geschichte des Punks

PUNK

wurde im Amerikanischen als Schimpfwort verwendet und bedeutete so viel wie Abschaum der letzte Dreck. Näheres zur Begriffsbestimmung siehe

 

eine kurze geschichte

 

Malcolm McLaren fand ein paar Jungs, die bereit waren sich von ihm managen zu lassen. Er nannte die Gruppe Sex Pistols, in Anspielung auf seinen Laden "Sex". Um ihre Gigs auch gleichzeitig als Promotion zu nutzen, steckte er sie in die Klamotten seiner Lebensgefährtin Vivienne Westwood. Die ersten Auftritte der Pistols lösten eine Initialzündung aus. Obwohl in ihren Konzerten kaum 100 Besucher erschienen, inspirierten ihre Auftritte eine große Anzahl der Zuschauer dazu eigene Bands zu gründen, oder bestehenden Bands dazu ihre Musikrichtung zu ändern. "Gestern hab' ich mich noch für den letzten Dreck gehalten, dann hab' ich die Sex Pistols gesehen und wurde zum King und beschloß in die Zukunft zu schauen. Ich hab' sie gesehen und sofort gewußt, dass Rhythm'n'Blues 'ne tote Sache war und dass dies irgendwie die Zukunft war." (Joe Strummer; aus The Clash, Revolution Rock, Sonnentanz-Verlag)
Innerhalb nur eines knappen halben Jahres hatte sich Pub-Rock-Szene in London verändert. Überall schossen neue Bands wie die Pilze aus dem Boden, Damned, Subway Sect, Clash, Vibrators, Siouxsie and the Banshees, Chelsea... Aber nicht nur in London, sondern auch in Manchester, die Pistols spielten am 4.Juni'76 dort und anschließend gründeten sich Buzzcocks, Slaughter & the Dogs und Eater.
Am 13.Juli '76 erhielt diese Art von Musik ihr erstes Fanzine. Herausgeber und Schreiber in einer Person war Mark P.(erry). Er hatte auf einem Konzert der Ramones in London Brain James (Damned) und Shane McGowan (Pogues) getroffen. Sie bezeichneten sich selbst als Punks. Mark entschloß sich mit den einfachsten Mitteln, einer Schreibmaschine und einem Kopierer ein Fanzine "Sniffin' Glue...+ other Rock'n'Roll habits for Punks!" herauszugeben. Den Namen entlieh er dem Ramones Titel "Now I wonna sniff some glue"

 

Am 20/21. September fand in dem 100 Club (London, 100 Oxford Street) das erste Punk Festival statt, spätestens jetzt hatte sich für die neue Musikrichtung der Begriff PUNK etabliert, und nach dem Auftritt der Pistols im Dezember '76 in der "Today"-Show wußte fast jeder Brite was Punk war. Die Boulevard-Presse verfolgte die Entwicklung mit Argusaugen und jede zerbrochene Bierflasche sorgte für ein neues Skandal.  
eine kurze geschichte
Die Geschichte des Punks
Chrissie Haydne (Pretenders) und Jordan
   

Anders als ihr New Yorker Pendant verstand sich die britische Szene als eine Bewegung. Sie nannten sich Punks, trugen kurze Haare, haßten Hippies, traten gegen das System an, das ihnen keine Chance bot, spielten laute, aggressive, kurze Songs und hatten ihre eigene Mode, mit der sie sich von den restlichen Jugendlichen absetzten. Gerade die äußeren Merkmale erleichterten es der Öffentlichkeit das Phänomen zu benennen und zu kategorisieren. Für die britische Sensations-Presse waren die Skandale der Punks ein gefundenes Fressen. Auf der anderen Seite verstanden die Punk-Bands (bzw. ihr Management, allen voran Malcom McLaren) die übertriebene Presseaufmerksamkeit für ihre Zwecke (Promotion) zu nutzen.
77 war das Jahr des kommerziellen Durchbruchs.

 

Im Jubiläumsjahr der Queen (25 Jahre im Amt.) sangen die Pistols ihr sarkastisches "God save the Queen" und starteten einen genialen Werbegag, eine Bootsfahrt auf der Themse, die im Chaos endete und für die entsprechenden Schlagzeilen sorgte. Die LP "Never Mind The Bollocks Here Are The Sex Pistols" erschien und kurz darauf die ersten LP's von Clash, Boys, Damned, Vibrators, 999, Jam... Tourneen verschiedener Punk-Bands durch UK und Europa ließen die Fangemeinde wachsen. Eine Flut von Punk-Bands gründeten sich in UK und konnten einige überraschende Erfolge verbuchen. Doch für die Galionsband des Punks - den Pistols - erwies sich ihre US-Tour Anfang '78 als ein Debakel. Ihre Auflösung folgte, und nach Sids Drogentod, schien die Punk-Bewegung nach nur 2 Jahren am Ende zu sein.

Der Do-It-Yourself Ethos: Die Punks erschufen einen eignen Stil. Sie schnitten und stylten ihre Haare selbst, kreierten eine Mode (Auch wenn Vivienne Westwood später als die Punk-Designerin gefeiert wurde, so entsprach dies nur der halben Wahrheit. Viele Sachen entstanden in ihrem direkten Umfeld und wurden von ihr erfolgreich adoptiert.), entwickelten eine eigene Grafikästhetik, brachten Fanzines heraus und veröffentlichten ihre Musik auf kleinen, alternativen Labels oder verlegten sie selbst. Einige bekannte Label aus dieser Zeit:sind Stiff Records, Chiswick, Step Forward, Illegal - LaBritain Records (999), No Bad (The Skids), Liberty Crass Records

Malcolm McLaren & Vivienne Westwood
eine kurze geschichte
     
Die Geschichte des Punks  
 
 

 

Der Punk ist tot, zumindest sah es die britische Presse so, als die Sex Pistols sich auflösten. Jedoch hatte sich inzwischen die Punk-Szene etabliert, und ihr Fortbestand hing nicht von der Existenz einer Gruppe ab. Die Gefahr drohte aus ganz anderen Richtungen. Die Presse hatte Punk auf häßliche, krawallschlagende Proleten reduziert. Viele Jugendliche mißverstanden die neue Bewegung, schloßen sich ihr an, uniformierten sich und wurden zum Abbild der öffentlichen Meinung. Malcolm McLaren oder Bernie Rhodes Idee von einer Kunstrichtung oder die eines Lebensgefühl erreicht die Masse nie. Die Hauptakteure der Szene, die Bands unterlagen einer normalen Entwicklung. Die Gruppen wurden musikalisch reifer und verschiedene neue Einflüsse hielten in ihrer Musik Einzug. Reggae (Members, Ruts, Clash, Angelic Upstart); Mod-Revival (Jam, Melton Parkas, Chords); die Annäherung zur Popmusik (Billy Idol, Adam Ant, Police, Boomtown Rats); elektronischer, experimenteller Einfluß New Wave (Joy Division, Wire, Gang of Four, Ultravox, Fall, Bauhaus); oder die eher morbide Richtung, später Gothic genannt (Siouxsie & the Banshees, Cure). Sie alle hatten als Punk-Bands begonnen, und verkauften sich nun unter neuen Etiketten. Mick Jones (Clash) meinte zu dieser Entwicklung: "Wir sind der wahre Geist von '76 in England. Andere Bands sahen was geschah, sie glaubten Punk würde das nächste große Ding sein und sie wollten dabei sein. Die meisten von ihnen waren Mist. Sie versuchten einfach davon zu profitieren was ein paar gute Leute angefangen hatten. Als die Pistols hier rüber kamen (USA) und  durchfielen, kam der Run auf den Punk schnell zur Ruhe. Die Bands beeilen sich nun woanders aufzuspringen. Gut, dass sie weg waren! Wir machen weiter. In einem Jahr kommen die anderen Bands wieder zurückgekrochen." (Interview, Los Angles Times, 1978) Viele englische Punk-Bands machten inzwischen Tourneen durch USA, und die Amerikaner entdeckten nun auch ihre eigenen Gruppen, die zum Teil schon vor den englischen Gruppen bestanden. (Dead Boys, Dictators, Dickies, Avengers)
Das erste Punk-Revival startet schon 1980 mit der Tour von Discharge, Exploited und Anti-Pasti "Apokalypse Now". Diese Gruppen beriefen sich wieder auf die Anfänge des Punk-Rocks, spielten jedoch noch eine Spur härter und waren die Vorläufer des Hardcores. Gleichzeitig entstand ein Ableger Oi! (Cock Sparrer, The 4 Skins, Red Alert, Blitz), dessen Anhang zum großen Teil aus Skins bestand. Es gelang den Gruppen nur schwer auf Distanz zu dem rechten Flügel der Skinheadbewegung zu gehen, der in der Öffentlichkeit das Bild der Skins prägte.
Weitere Revivals folgten. Jedoch war Punk nie eine Massenbewegung, selbst zu seiner besten Zeit in UK 1977, waren die Anhänger des Punks eine Minderheit unter den Jugendlichen. Vielleicht liegt darin das Geheimnis, dass immer wieder Gruppen ihn für sich neu entdeckten. Ob Nirvana, Red Hot Chili Peppers, Offspring, Green Day, Prodigy, Limp Bizkit oder Bloodhound Gang, sie alle entlehnten Attitüden, Mode oder Musik bei dem Punk.

 

Text: "R.otten.s" Z.Blanck